12 zentrale Zukunftskompetenzen für die Arbeitswelt von morgen

In Kooperation mit der WK Kärnten erhob ein Forschungsteam an der FH Kärnten künftig nachgefragte Qualifikationen.
In Kooperation mit der WK Kärnten erhob ein Forschungsteam rund um Ursula Liebhart (rechts) an der FH Kärnten künftig nachgefragte Qualifikationen.
Zukunftskompetenzen
Abb.1: Zukunftskompetenzen

FH Kärnten erhebt branchenübergreifend Schlüsselqualifikationen

Wenn sich Unternehmen und Mitarbeiter:innen mit der neuen Arbeitswelt auseinandersetzen, dann stellt sich eine zentrale Frage: Welche Zukunftskompetenzen werden benötigt und sind essentiell? Vom Wirtschaftsförderinstitut Kärnten (Wifi Kärnten) beauftragt, ist ein Forschungsteam der Fachhochschule Kärnten dieser Frage nachgegangen. Mittels Experteninterviews und Spartenworkshops konnten insgesamt 12 Zukunftskompetenzen ermittelt werden. Die vier insgesamt am öftesten genannten Zukunftskompetenzen über alle Branchen sind: Selbstführungskompetenz, digitalbezogene Fachkompetenz, Kundenorientierung sowie Beziehungsgestaltungskompetenz. Die Kärntner Unternehmen sehen sich dabei mittelmäßig auf die Zukunftskompetenzen vorbereitet. In der Studie wurden auch Denkanstöße erarbeitet, wie sich Aus- und Weiterbildung entwickeln muss, um die Entwicklung der Kompetenzen zu unterstützen. Sie beziehen sich insbesondere auf die Lehrlingsausbildung, aber auch auf die Weiterentwicklung von Führungskräften und auf das Corporate Learning.

Die Entwicklungen der letzten Monate haben Unternehmen und Menschen aufgezeigt, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig/ambigue sind (sog. „VUCA-Welt“). Beispielsweise ist es hinsichtlich der Digitalisierung keine Frage mehr, ob man sich als Unternehmen damit auseinandersetzen muss, sondern nur mehr wie und wie schnell das gelingt. „Langsam, aber kontinuierlich Fahrt aufnehmend, bahnt sich ein tiefgreifender Wandel der Arbeitswelt über nahezu alle Branchen und Berufsfelder hinweg an. Es verändern sich viele Aufgabenbereiche, es entstehen neue Jobs, bestehende Jobs verändern sich, einige davon wird es in Zukunft auch nicht mehr geben“, so die Professorin für Organisation und Personal im Studienbereich Wirtschaft & Management an der Fachhochschule Kärnten, Ursula Liebhart. Im Auftrag des Wirtschaftsförderinstitut Kärnten (Wifi Kärnten) ging sie im Frühjahr 2021 mit ihrem Forschungsteam der Frage nach, welche Zukunftskompetenzen benötigt werden, um die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt zu bewältigen. Für die Erhebung wurden Experteninterviews und Spartenworkshops mit Unternehmensvertreter:innen und Expert:innen ausgewählter Sparten der Wirtschaftskammer Kärnten (WKK) geführt. Abgeleitet von entwickelten Zukunftsszenarien der jeweiligen Branchen wurden die dafür notwendigen Kompetenzen diskutiert und priorisiert. So entstanden rund 1039 Nennungen aus denen die relevanten Zukunftskompetenzen erarbeitet wurden.

Zwölf essenzielle Kompetenzfelder für die Zukunft

Die Studie weist zwölf Kompetenzfelder (siehe Abb.1, linke Spalte) mit jeweiligen Subkompetenzen aus (siehe Anlage), die den zukünftigen Wettbewerb beeinflussen werden.

Die vier wichtigsten Kompetenzfelder in der zukünftigen Arbeitswelt sind beziehungsorientiert und fachbezogen

  • Selbstführungskompetenz: Die zukünftige Arbeitswelt erfordert eine erhöhte Fähigkeit aller arbeitenden Personen, sich selbst besser führen zu können. Die eigenen Gedanken, Gefühle und auch das eigene Verhalten zu reflektieren, situativ anzupassen und steuern zu können, führt zu einer erhöhten positiven Anpassungsfähigkeit und Eigenmotivation.
  • Digitalbezogene Fachkompetenz: Fachliche Kompetenzen werden auch in Zukunft den Wettbewerb maßgeblich beeinflussen. Besonders zeigt sich, dass jene fachlichen Kompetenzen mit Digitalbezug, also die digitale Prozessfähigkeit und die gleichzeitige Anwendungsfähigkeit digitaler Technologien, für die Arbeit der Zukunft deutlich zu entwickeln sind.
  • Kundenorientierung: Gelebte Kundenorientierung wird ein zukünftiges Muss für Unternehmen. Es gilt Kundenbedürfnisse wirklich zu verstehen, deren (digitale) „Reise“ vor und entlang der Kundenbeziehung bewusst zu gestalten und Maßnahmen der Kundenbindung zu setzen.
  • Beziehungsgestaltungskompetenz: Eine von Vertrauen getragene Zusammenarbeit, agile Projektteams und kreative Innovationsteams machen es notwendig, zwischenmenschliche Beziehungen reflektiert aufbauen und halten zu können.

Zeitnaher Entwicklungsbedarf bei allen Zukunftskompetenzen wahrgenommen

Die Kärntner Unternehmen sehen sich mittelmäßig auf die Zukunftskompetenzen vorbereitet. Besonders wichtig erscheint die verstärkte und zeitnahe Entwicklung der Selbstführungskompetenz, Beziehungsgestaltung, Lernkompetenz und Lösungsorientierung. Diese Einschätzung gilt umso mehr in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen in einer VUCA-Welt und der digitalen Transformation. Zur Bewältigung der Transition wird Empowerment (Bestärkung) der Mitarbeitenden, ein wirksames und innovatives Miteinander und ein hohes Lerntempo wettbewerbsentscheidend sein. Die Selbstführungskompetenz wird von allen Branchen als bedeutsam, mit hohem Entwicklungsbedarf gesehen und stellt einen zentralen Entwicklungshebel dar. Die branchenbezogenen Entwicklungsbedarfe werden darüber hinaus wie folgt wahrgenommen:

  • Im Tourismus und tourismusnahen Verkehrsbranchen liegt der Fokus auf der Kundenorientierung und Beziehungsgestaltung sowie Diversitäts-, Fach- und Führungskompetenz.
  • Der Handel fokussiert auf die Kundenorientierung und Kommunikationskompetenz.
  • Die Industrie hebt die Diversitäts- und Lösungskompetenz hervor.
  • Die Spediteurbranche sieht die Fachkompetenz, unternehmerisches Agieren, Kundenorientierung und Methodenkompetenz entwicklungsbedürftig.
  • Das Baugewerbe fokussiert die digitalbezogenen Fachkompetenzen.
  • Technikunternehmen sehen ergänzend zur Selbstkompetenz insbesondere die Beziehungsgestaltungs- und Kommunikationskompetenz, Lösungs- und Methodenkompetenz sowie die Fachkompetenz als entwicklungserforderlich.
  • Die Branche Information & Consulting sieht besondere Entwicklunsgbedarfe in der Beziehungsgestaltungskompetenz, der digitalbezogenen Fachkompetenz, der Lern- und Lösungskompetenz als auch der strategischen Kompetenz.
  • Für die allgemeine Verkehrsbranche sind es die Führungskompetenz sowie die Fach- und Kommunikationskompetenz.

Basisanforderungen insbesondere an junge Menschen

Von den Kärntner Unternehmen werden Basisanforderungen genannt, die außerhalb der Zukunftskompetenzen und als Basis für die berufliche Qualifizierung insbesondere jüngerer Menschen gesehen werden können. Dies sind die verstärkte Allgemeinbildung, klassische Arbeitsmarktugenden wie die grundsätzliche Einstellung zur Arbeit und zum Arbeitgeber sowie die Verhaltensweisen am Arbeitsplatz. Der Wunsch, junge Menschen bereits vor, in oder begleitend zur Ausbildung stärker auf die Arbeitswelt vorzubereiten, wird über nahezu alle Branchen geäußert.

Handlungsansätze für die Lehrlingsausbildung

In der Studie wurde nicht nur bearbeitet, welche Kompetenzen für die künftige Arbeitswelt notwendig sind, sondern auch Denkanstöße erarbeitet, wie sich Aus- und Weiterbildung entwickeln muss, um die Entwicklung der Kompetenzen zu unterstützen.

  • Qualität der Ausbildungsbetriebe sichern und Unternehmen in ihrer Verantwortung als ganzheitliche Bildungseinrichtungen unterstützen.
  • Überbetriebliche Lehrlingsausbildung vor allem für Klein- und Mittelunternehmen unterstützen
  • Neuorganisation der Lehrausbildung mit einer intensiven Verschränkung der Praxisorientierung und dem Lernen am Arbeitsplatz.
  • Bedürfnis- und entwicklungsorientierte Begleitung der Lehrlinge
  • Klärende Berufsorientierung vor der Ausbildungswahl
  • Lehrlingscoaching und Lehrbetriebscoaching als Baustein in der Führungskräfteausbildung
  • Weiterentwicklung des Ansatzes der Lehre mit Matura.
  • Entwicklung einer dualen Akademie speziell für Maturant:innen und Schulabbrechende

Weiterführende Handlungsansätze für das Corporate Learning

Die Kompetenzen und Rahmenbedingungen stellen neue und ergänzende Anforderungen an Lernformate der Zukunft, die stärker Lernen und Arbeiten verschränken:

  • Entwicklung von gezielten Personalentwicklungsprogrammen insbesondere in KMU, dabei auch Kooperation in Form von überbetrieblichen Personalentwicklungsangeboten
  • Praxisorientierte Inhouse-Trainings mit integriertem “Learning on the job”
  • Für Branchen und Berufsgruppen maßgeschneiderte Ausbildungsprogramme
  • Unterstützung bei individuellen Entwicklungsthemen z.B. für die Stärkung von Lernkompetenzen, Selbstführungskompetenzen durch Community-Programme, Coachings, Mentoring, Peer-Learning usw.
  • Unterstützung bei der Entwicklung des individuellen Karrierepfades
  • Einsatz von innovativen, hybriden (analog in Kombination mit digital) und erfahrungsbasierten (interaktiv, teamorientiert etc.), Lernformaten
  • Innovative digitale, aber didaktisch „spannend“ aufbereitete Lernangebote

Entwicklung von Führungskräften wird ein wesentlicher Baustein im Corporate Learning

Auch die Entwicklung von Führungskräften wird als wesentlicher Baustein im Corporate Learning erachtet, beispielsweise hinsichtlich der zukünftigen Arbeitswelt an sich, aber auch zur Verstärkung der Rolle als Lernbegleiter:innen für deren Mitarbeitende.


Rück- und Interviewanfragen:

FH Kärnten, Projektteam:

Projektleitung: FH-Prof. Mag. Dr. Ursula Liebhart, für Anfragen gerne unter Email: u.liebhart[at]fh-kaernten[dot]at
Kernprojektmitarbeiter: Mag. Michael Kosutnik & FH-Prof. Dipl.-Betrw. (FH) Stefan Nungesser
Ab Mitte November 2021 steht das Workingpaper mit detaillierten Ergebnissen zur Verfügung.