„Wir verstehen uns als lebendige Community mit der Wirtschaft“

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Hermine Bauer und Dietmar Brodel im Gespräch mit Petra Bergauer

Seit 20 Jahren kann man an der FH Kärnten Wirtschaft studieren. Welche Erfolge gefeiert werden konnten und was den Studienbereich so besonders macht, erzählen Studienbereichsleiter Dietmar Brodel und seine Stellvertreterin Hermine Bauer.

Der Studienbereich Wirtschaft & Management hat 2017 sein 20jähriges Jubiläum gefeiert. Was bedeutet dieses Jubiläum für die FH, für die Studierenden, für die Wirtschaft und für das Land Kärnten?

Dietmar Brodel: Wir bilden zwar für die Wirtschaft aus, dennoch sind unsere primären Stakeholder die Studierenden, für die wir mit einem breiten, gut entwickelten Studienangebot und einer zeitgemäßen Didaktik eine praxisorientierte Ausbildung anbieten. Wichtig für die Ausrichtung des Studienangebots ist, dass wir die Basis für eine lebenslange Karriere legen. Für die FH ist der Studienbereich Wirtschaft neben der Technik und dem Gesundheits- und Sozialbereich einer der drei profilbildenden Einheiten und damit sicher von großer Bedeutung. Und es ist unsere Aufgabe, dem Brain Drain entgegen zu wirken, dafür braucht es eine gute Hochschule.

Hermine Bauer: Wir wollen auch für Studierende außerhalb Kärntens attraktiv sein, daher leisten wir für das Land Kärnten einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung, sind aber hier auch wichtiger Ansprechpartner für Forschungsprojekte.

Frau Bauer:Sie sind ja fast von Anbeginn des Studienbereichs an Bord. Wie waren die Anfänge?

Wir waren ein kleines Team von insgesamt fünf Leuten, es war Aufbruchsstimmung merkbar. Die Kommunikationswege waren sehr kurz, es war alles sehr persönlich, wie eine Familie. Ich kannte damals alle Studierenden und nebenberuflich Lehrenden mit Namen. Aufgrund des Wachstums wurden dann erst nach und nach Richtlinien, Prozesse und Strukturen aufgebaut.

Herr Brodel: Sie leiten seit mittlerweile 14 Jahren den Studienbereich. Was waren die größten Veränderungen in diesen Jahren?

Wesentlich waren vier Entwicklungen: 1. Der Umzug von Spittal nach Villach. Damit wurde eine wesentliche Grundlage für das Wachstum geschaffen. 2. Die Umstellung von einer einstufigen Ausbildung auf das Bachelor-/Mastersystem und die damit einhergehende Verbreiterung des Studienangebots. 3. Die Einführung der berufsbegleitenden Studiengänge und damit ein Zugang zu einer neuen Zielgruppe und 4. Die Internationalisierung des Studienangebots auf Bachelor- und auf Masterebene. Abgesehen davon bedeutet Wachstum per se Veränderung.

Der Studienbereich ist in den letzten Jahren massiv gewachsen. An Studiengängen, an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und an Studierenden. Was ist jetzt anders als früher?

Bauer: (lacht) Alles.

Brodel: Wachstum bringt die Chance, sich zu spezialisieren. Wir haben jetzt ein größeres und ausdifferenzierteres Angebot. Früher waren wir eher generalistisch geprägt, der Gesamtzusammenhang war allen immer klar. Jetzt sind nicht nur die Professuren spezialisierter, die Diversität der Aufgaben und Funktionen insgesamt ist größer geworden. Wir mussten daher unsere Führungs- und Organisationsprozesse kontinuierlich weiterentwickeln. Differenzierung und Spezialisierung zuzulassen sowie das aktive Bemühen, die Dinge zusammenzuführen, die gemeinsame Basis für unsere Arbeit zu finden, zu integrieren, wurden zunehmend wichtig. Dieser Spagat war früher aufgrund der Übersichtlichkeit und Kleinheit nicht notwendig.

Bauer: Angewandte Forschung hat auch massiv an Bedeutung gewonnen. Das Drittmittelaufkommen wurde um den Faktor 100 gesteigert. In den letzten Jahren haben wir viele Drittmittelprojekte abgewickelt, es gibt nun wissenschaftliches Personal nur für Forschungsprojekte und Forschung ist nicht nur Nebensache, sondern eine bewusste Säule unserer Arbeit.  

Brodel: Interessant ist auch die Frage, was sich nicht geändert hat. Der wertschätzende Umgang,-  und das ist jetzt keine Floskel - ist trotz des Wachstums nach wie vor etwas Außergewöhnliches. Die Werteorientierung ist zeitübergreifend von Bedeutung und prägt die Kultur des Studienbereichs.

Bauer: (spricht Herrn Brodel direkt an) Ich möchte dazu sagen, dass du viel dazu beigetragen hast.

Herr Brodel ist mein vierter Studienbereichsleiter, die offene Kultur, die Gesprächsbasis und Offenheit sowie die Transparenz sind wesentlich auf seinen Führungsstil zurückzuführen. Wenn etwas unklar ist, ist es selbstverständlich, dass die Kollegen und Kolleginnen kommen.

Brodel: Danke für die Blumen. Ich möchte hier noch Vertrauen hinzufügen. Transparenz ist zwar wichtig; ich kann mich aber nicht erinnern, dass mal mehr Transparenz gefordert wurde. Transparenz wird nur dann gefordert, wenn Vertrauen fehlt, aber wenn jeder immer alle Informationen zu jedem Zeitpunkt haben will, wird nichts weitergehen.

Inwieweit haben sich die Anforderungen an Wirtschaftsabsolventen und Absolventinnen verändert? Und wie reagieren Sie im Studium darauf?

Brodel: Es gibt neue Anforderungen aus der Wirtschaft, wie beispielsweise Digitalisierung, Internationalität, interkulturelle Zusammenarbeit und Diversität. Mehr noch hat sich aber die Einstellung und die Herangehensweise der Studierenden geändert. Unsere Aufgabe ist es, darauf adäquat, beispielsweise in der Didaktik, zu reagieren. Die kleinen Gruppen und die enge Zusammenarbeit mit den Studierenden sind hier eine wichtige Basis, denn die Studierenden kennen nicht nur uns, sondern auch wir die Studierenden. Und damit ihre Stärken und Entwicklungspotenziale. Unsere Aufgabe ist es, die Studierenden dabei zu unterstützen, diese Potenziale zu entfalten. Das funktioniert im engen Kontakt, einer intensiven Einbindung und einer schrittweisen Heranführung an Herausforderungen. Und nur dann, wenn man Freude daran hat, junge Menschen zu begleiten. Das ist eine Berufung.

Warum sollten junge wirtschaftsinteressierte Leute an der FH Kärnten studieren?

Brodel: Weil wir eine super Ausbildung anbieten. Das ist kein Gerede, sondern ich bin wirklich fest davon überzeugt. Ich kenne viele Hochschulen national und international. Der enge Kontakt mit den Professoren macht uns besonders. Das Arbeiten in Kleingruppen ist unsere Stärke, auf die wir bauen und die wir auch erhalten müssen. Das ist ja die Gefahr des Wachstums.

Bauer: Auch durch unsere nebenberuflich Lehrenden, die allesamt aus tollen Unternehmen oder mit viel Erfahrung kommen, ergeben sich interessante Netzwerke, im Optimalfall auch Praktikumsplätze, Bachelor- und Masterarbeiten oder auch fixe Anstellungen.

Brodel: Abgesehen davon sind die Studienbedingungen für das Studium in Kärnten ideal, wie beispielsweise der Naturraum, das Klima und die Sicherheit in unserer Region.

Bauer: Viele Studierende, die von auswärts kommen, finden besonders unsere Landschaft sehr attraktiv.

Gibt’s „Vorzeige-Absolventen und Absolventinnen?

Brodel: Unser Ziel ist, dass alle Studierende sich zu Vorzeigeabsolventinnen entwickeln. Alle haben, wenn sie das Studium erfolgreich absolviert haben, eine tolle Entwicklung hinter sich gebracht, was ein Wert an sich ist. Dass nicht alle sofort die „über drüber“ Karriere machen, ist klar. Viele haben aber auch viele wirklich tolle Karrieren hingelegt.

Bauer (lacht): Wir hatten beispielsweise auch eine Studierende, die jetzt bei uns Professorin ist, nachdem sie zwischenzeitlich andere Wege eingeschlagen hat.

Was waren die größten Erfolge, auf die der Studienbereich zurückblicken kann?

Bauer: Dass wir uns aus einem einzigen Studiengang zu einem Studienbereich mit fünf Bachelor- und drei Masterstudiengänge entwickelt haben.

Brodel: Und dass wir trotz Wachstum unsere Qualität behalten haben. Der Versuch, die Nachteile des Wachstums auszugleichen, ist uns, so meine ich, sehr gut gelungen. Wir sind ein starkes Team an Professoren und Professorinnen, wissenschaftlichen Mitarbeitern, Administratorinnen und nebenberuflich Lehrenden, die mit ihren Stärken und Profilen Teil eines größeren Ganzen sind. Darauf und auch auf unsere bisher 1178 Absolventinnen und Absolventen bin ich sehr stolz.

Wie sehen die Zukunftspläne aus?

Brodel: Derzeit überarbeiten wir sämtliche Curricula, mit dem Ziel, die Attraktivität und die Studierbarkeit weiter zu steigern. Die Themen Sprachen, Digitalisierung und Persönlichkeitsentwicklung sind in sämtlichen Modulen integriert. Weitere Vertiefungsmöglichkeiten sind in Planung, insbesondere sehen wir viel Potenzial bei der Interkulturalität. Daher wird auch Migration und Integration ein Fokus sein. Ein neuer Masterstudiengang Digital Transformation Management“ ist in Vorbereitung. Und wir verbinden uns mit der Wirtschaft themenzentriert. Beispielsweise gibt es Vernetzungen mit der Wirtschaft in den Themen Hotellerie, Marketing und Personal, wo Fachexperten zusammenkommen und sich als lebendige Community verstehen sowie bei aktuellen Entwicklungen eingebunden sind. Wir kriegen mit, was die Wirtschaft braucht und können dies in unsere Ausbildung miteinbauen. Sowas funktioniert nicht aus dem Elfenbeinturm.