Barbara Egger, Auslandspraktikum in Austin, USA

Barbara Egger mit Roswitha
Bericht in einer Zeitschrift
Geburtshaus
Geburtsraum

Im Rahmen meines Hebammenstudiums absolvierte ich ein Auslandspraktikum im Austin Area Birthing Center (AABC) in Austin, Texas. Es wurde zu einer der besten Erfahrungen meines bisherigen Berufsweges.

Beim Besuch meiner früheren AuPair Gastfamilie kam der Wunsch auf, wieder mit ihnen gemeinsam zu wohnen und dies mit meiner Ausbildung zu verknüpfen. Kurzerhand recherchierte ich nach Geburtshäuser in Austin und stellte mich gleich direkt vor Ort persönlich bei den Hebammen mit meiner Praktikumsidee vor.
Wieder zurück in Österreich schrieb ich meine Bewerbung und dann ging es an die bürokratische Arbeit. Ein unbezahltes Praktikum im medizinischen Bereich in den USA wird leider nicht vom österreichischen Staat oder Förderprogrammen unterstützt – generell war es so, dass niemand vor mir im Rahmen der Hebammenausbildung in Amerika ein Praktikum gemacht hatte. Dementsprechend befand ich mich auf Neuland, was auch Auskünfte bzgl. Finanzierung, Versicherung und Visum betraf.

Kurz gesagt: alles ziemlich kompliziert.

Da Praktika in Austin generell unentgeltlich stattfinden, wurde ich finanziell von meinem Studiengang etwas unterstützt und konnte kostenlos bei meiner Gastfamilie unterkommen.

Das Praktikum war bestimmt die beste Zeit meines Lebens – und ich habe unglaublich viel gelernt!

In den USA wird in der Geburtshilfe einiges anders gestaltet und da im Geburtshaus keine Ärzte sondern nur Hebammen arbeiteten, unterschied sich das doch gravierend von der Schwangerenversorgung, Geburtsbegleitung und Wochenbettbetreuung in den meisten österreichischen Einrichtungen.

Im AABC werden jährlich rund 700 Kinder geboren. Auf zwei Häuser verteilt arbeiten 13 Hebammen gemeinsam mit Birth Assistants (Krankenschwestern mit Zusatzausbildung).

Während meines Praktikums war ich Hebamme Roswitha zugeteilt. Roswitha hat ihre Ausbildung in Leipzig, Deutschland, gemacht und arbeitet seit 17 Jahren im AABC. Roswitha ist die erfahrenste Hebamme im Team und ich hatte wirklich Glück von ihr unterrichtet zu werden. Roswitha hat unglaublich viel Wissen und war bereit mich in ihren Arbeitsalltag einzuführen, mir alles ausführlich zu erklären und nahm sehr viel Rücksicht darauf, mir Dinge zu zeigen, die kein Bestandteil meiner Ausbildung in Österreich sind. Zum Beispiel werden in Österreich alle Schwangerenvorsorgeuntersuchungen von GynäkologInnen durchgeführt. Ich hatte die Möglichkeit Erfahrung mit Leopold’schen Handgriffen in jedem Gestationsalter zu machen. Hier wurde mir erst bewusst, wie unterschiedlich sich ein Baby zB in der 26. SSW anfühlt, wenn man es mit einem ausgereiften Kind am Termin vergleicht.

Eine neue Erfahrung für mich war außerdem die vaginale Untersuchung von Schwangeren am Beginn der Schwangerschaft mit Bestimmung des Gestationsalters durch die Größe des Uterus oder die vaginale Untersuchung 6 Wochen post partum. Ebenso wird im Geburtshaus routinemäßig bei jeder Schwangerenvorsorgeuntersuchung der Symphysen-Fundus-Abstand gemessen und nach den kindlichen Herztönen gehört (mit Dopton oder Pinard’schen Hörrohr). Auch werden Blutabnahmen mit Testung auf HIV, Hepatitis, Rubella, Lues, Blutgruppenbestimmung, etc., der orale Glucosetoleranztest, Pap-Abstriche und Streptokokken B Abstriche im Birthing Center durchgeführt.

Mit Beginn einer Schwangerschaft füllt die Schwangere ein Online-Formular aus, das alle relevanten medizinischen Daten, sowie Lifestyle-Faktoren enthält. Dieses wird von einer Hebamme durchgesehen und insofern nach der Anamnese kein Risiko besteht, die Frau als potenzielle Low-Risk-Patientin ins System aufgenommen.

Während der gesamten Schwangerschaft werden Risk Assessments und Vorsorgeuntersuchungen inkl. Ultraschallunterschuchungen im Center durchgeführt, um ausschließlich gesunde, low-risk Patientinnen zu betreuen. Bei einer Tour im Birthing Center werden der Schwangeren (und ihrem Partner) die Räumlichkeiten vorgestellt.

Das AABC bietet drei Geburtsräume, die in unterschiedlichem Stil eingerichtet sind. Im Wartezimmer und der Küche können sich Angehörige während einer Geburt aufhalten. Es gibt keine Einschränkung der Anzahl von Angehörigen, Freunden, Doulas oder Bekannten, die bei der Geburt anwesend sein dürfen. Dies liegt im Ermessen der Gebärenden.

Während einer Geburt findet eine intermittierende fetale Herztonüberwachung mittels Dopton statt. Eine kontinuierliche Herztonüberwachung im Geburtshaus ist untersagt. Zur Geburt ist die Hebamme und ein Birth Assistant anwesend.

In jedem Geburtsraum befindet sich ein eigenes Badezimmer mit Klo und Dusche und eine Gebärbadewanne. Die Frau kann selbstbestimmt entscheiden, wie sie gebären möchte. Schon während eines Besuches in der Schwangerenvorsorge wird ein Informationszettel bezüglich Wasseranwendung für Wehenverarbeitung und Geburt ausgegeben und mit den Frauen besprochen. Im AABC finden über 80% Wassergeburten statt.

Unter der Geburt soll die Frau aber erst bei guter Wehentätigkeit und Muttermundsöffnung von mindestens 4cm in die Wanne, da man Respekt davor hat, die Wehentätigkeit wieder zu verlangsamen und es im Geburtshaus keine Wehenstimulation durch künstliches Oxytocin (Pitocin®) gibt. Sollten die Wehen unregelmäßig oder nicht effizient sein, kommen Homöopathie, Kräutertinkturen oder Brustwarzenstimulation durch Pumpmanagement zum Einsatz. Ein vorzeitiger Blasensprung wird durch mehrere Verfahren nachgewiesen.

Nach einer komplikationslosen Geburt, führt die Hebamme nach 2 Stunden die routinemäßige erste Neugeborenuntersuchung mit Verabreichung der Vitamin K-Prophylaxe (intramuskulär) und der Augenprophylaxe durch. Wenn die Frau nach drei Stunden postpartum nicht verstärkt nachblutet, Harn lassen kann, stabil ist und ohne jegliche Auffälligkeiten entbunden hat, wird die Versorgung dem Birth Assistant überlassen. Nach 6-8 Stunden werden die frischgebackenen Eltern dann nach Hause entlassen.

Die Hebamme, die die Frau entbunden hat, führt in den ersten 24h einen routinemäßigen Telefonanruf durch.

Die Hausbesuche finden am zweiten oder dritten Tag post partum statt und werden von einer RN (Registered Nurse) durchgeführt, die im Bereich der Versorgung post partum eine zusätzliche Ausbildung absolviert hat. Ich durfte bei vier Hausbesuchen dabei sein und konnte dadurch weitgreifender unterstützen, da die Frauen in ihrer gewohnten Umgebung einerseits entspannter auftreten und andererseits auch das Umfeld miteinbezieht und angepasst an den Lebensstil des Paares Beratung durchführen kann. Ich hatte das Gefühl eine „Verbündete“ des Paares zu sein. Ein unglaublich tolles Gefühl.

Die Routineuntersuchungen sind bei diesen Hausbesuchen eher zweitrangig. Der Fokus liegt auf Fragen der Frau und ihres Partners und ein Großteil der Zeit wird für Gespräche verwendet. Generell waren alle Hausbesuche mindestens ein bis zwei Stunden lang. Während des Hausbesuchs wird auch die PKU-Blutabnahme beim Kind durchgeführt,  Gelbsuchtwerte überprüft, eine Stillmahlzeit beobachtet und das Stillmanagement verbessert. Außerdem wird nach dem Uterus getastet, bei vorangegangenen Nähten die Wunde begutachtet, die Lochien und die Brustwarzen beurteilt.

Nach 2 Wochen kommt die Frau wieder in die Clinic zur zweiten Neugeborenenuntersuchung (Hörtest, zweite PKU-Abnahme) und zur eigenen Nachsorgeuntersuchung bei einer Hebamme. Die halbstündlichen Routineuntersuchungen in der Schwangerschaft werden auf eine gesamte Stunde für Mutter und Kind post partum ausgedehnt.

6 Wochen post partum werden weitere, ganzheitliche Untersuchungen an Frau und Kind durchgeführt. Bei der Frau wird nach einer Rektusdiastase und dem Fundus getastet, eine vaginale Untersuchung vorgenommen, um zu überprüfen, ob die Zervix wieder geschlossen ist, der Uterus auf die Größe einer Nicht-Schwangeren geschrumpft ist und wie viel Kontrolle die Frau über die Beckenbodenmuskulatur wiedererlangt hat. Gespräche, Wünsche, Sorgen und Beschwerden der Frau sind während des einstündigen Besuchs natürlich vorrangig. Zum Abschluss der Betreuung im Geburtshaus wird die Frau über Verhütungsmethoden aufgeklärt. Sollte sie eine Spirale wünschen, wird ein weiterer Termin vereinbart, um diese durch eine Hebamme (CNM) einsetzen zu lassen.

Außerdem wird ein Edinburgh Postnatal Depression Scale (EPDS) Screening ausgefüllt und das Ergebnis mit der Frau besprochen. Bei einem hohen Punkteergebnis wird an psychologische Betreuung überwiesen. Hier ist mir aufgefallen, dass es wirklich schwierig ist, ohne einen solchen Fragebogen ein Risiko zu erkennen. Meiner Meinung nach ist der Besuch 6 Wochen post partum ein guter Zeitpunkt um dieses Screening durchzuführen, da Mutter und Kind Zeit hatten sich kennen zu lernen und sich eine Art der Routine eingestellt hat.

In der Clinic werden keine Zirkumzisionen und keine Impfungen durchgeführt.

Sollte die Frau unter der Geburt ins Krankenhaus überstellt werden, begleitet die Hebamme die Frau ins Krankenhaus. Die Untersuchungen und die Geburt werden vom Personal des Krankenhauses übernommen. Die Hebammen von AABC arbeiten aber daran, in allen Krankenhäusern und für alle Hebammen (auch mit unterschiedlichen Ausbildungen) Beleghebammenrechte zu bekommen.

Um Hebammen auf Notfallsituationen vorzubereiten, die im Birthing Center eher selten sind, gibt es jeden zweiten Monat ein Notfalltraining. Ich hatte Anfang September die Chance bei einem Meeting anwesend zu sein und in meiner Studentenfunktion mit zu trainieren. Ebenso findet jeden Monat ein ‚Midwife-Meeting‘ statt. Es war für mich außerordentlich interessant, hinter die Kulissen zu blicken.

Meine Auslandserfahrung war ein voller Erfolg! Meine Erwartungen und Hoffnungen wurden um einiges übertroffen. Ich habe Erfahrungen gesammelt, die ich in Österreich nicht machen hätte können. Und darauf bin ich nicht nur stolz, sondern auch unendlich dankbar.